Creatures of the night
im Interview mit Illustratorin Sarah Richter
Es dürfte inzwischen knapp zehn Jahre zurückliegen, dass wir
uns, auf einer unserer ersten Ausstellungen, kennengelernt haben. Damals hast
du noch als Grafikdesignerin gearbeitet, inzwischen bist du als freiberufliche
Illustratorin selbstständig.
Einen künstlerischen Beruf ergreift man nicht einfach
so, sondern oft aus einem inneren Drang heraus, der sich oft durch das ganze
Leben zieht. Was hat dich auf deinem Weg dorthin geprägt und inspiriert?
In meinen jungen Jahren war es wohl meine Mutter, die dadurch,
dass sie auch eine künstlerische Ader hat, meine kreativen Ambitionen gefördert
hat. Ich wusste relativ früh, dass mein späterer Beruf auch in diese
Richtung gehen sollte und wurde von meinen Eltern in diesem Vorhaben immer
unterstützt. Ich besuchte diverse Kunstkurse an der Volkshochschule,
beteiligte mich an verschiedenen Kunstexkursionen zu Schulzeiten und schleifte
meine Eltern auf die ein oder andere Kunstmesse.
So gelang ich auch in den Besitz meiner ersten Airbrushausrüstung, die mir
meine Eltern auf der Hobby und Spielemesse in Leipzig kauften, als ich ungefähr
16 Jahre alt war.
Nicht lange davor, war ich auf Illustrationen von Luis Royo und VictoriaFrances gestoßen und fand die Airbrushtechnik so faszinierend, dass ich alle
Informationen dazu wie ein Schwamm aufsog. Jahrelang waren das Airbrushforum
und das Airbrush Step by Step Magazin meine treuen Begleiter. Ich hatte das
Glück ein Praktikum bei einem Airbrusher in Nordhausen zu machen und so langsam
fing ich auch an meine ersten Auftragsarbeiten anzunehmen.
Schön, dass deine Mutter dein Potential erkannt hat und du
von deinen Eltern gefördert wurdest, dieses Privileg wird nicht jedem Kind
zuteil.
Für viele klingt „Illustratorin“ wie ein Traumberuf, dennoch hast du sicher mit
Herausforderungen zu kämpfen. Wie sieht dein Alltag aus? Wie motivierst du dich
„kreativ“ zu sein? Erschaffst du dir beispielsweise ein spezielles Umfeld, um
für einen Auftrag loslegen zu können?
Ich war bereits
einige Jahre im Nebenjob als Illustratorin tätig. Kleinere Aufträge hier und
da, immer wenn Zeit war nach der Arbeit oder am Wochenende, aber mein Traum war
es auch schon damals komplett freiberufliche Illustratorin zu sein.
Die erste Herausforderung war es dann auch diesen Schritt 2017 zu tun und zu
akzeptieren, dass man sich das mit dem stetigen, gleichen Einkommen erst mal
abschreiben kann und die Aufträge auch nicht immer von selbst kommen.
Man ist eben wirklich " selbst" und " ständig " aber auch
frei. Mittlerweile habe ich mich sehr gut daran gewöhnt und kann mir auch
nichts anderes mehr vorstellen. Ich kann entscheiden, wann mein Arbeitstag beginnt und wie ich ihn beginne.
Vielleicht erst etwas Yoga und ein kleiner Spaziergang oder beim Kaffee ein
paar Emails checken. Bis zum Mittag folgt dann die erste Arbeitssession an einem Projekt und nach
dem Mittag widme ich mich meist einem anderen Projekt (meist kommen die
Aufträge nämlich alle auf einmal oder auch mal lange nichts )
Ich muss also täglich kreativ sein und da ich über die Zeit gelernt habe, auch Aufträge
abzulehnen, die mir keine Freude machen, oder für die nicht die Richtige bin,
fällt es mir auch meist leicht. Wenn ich doch merke, dass ich 5 Minuten für einen Strich brauche, mit einem
Bild feststecke und einfach keinen Output mehr liefern kann, wende
ich mich anderen Arbeiten zu oder verziehe mich aufs Sofa und suche mir wieder
Input.
Wenn das Krea - tief dann sich doch mal andeutet, hilft es mir von möglichst
vielen Seiten (Internet, Artbooks, Filmen, Geschichten etc.) Inspirationen zu
bekommen und die leeren Kreativbatterien wieder aufzufüllen.
Meist kommen mir Bildideen zu den unmöglichsten Zeiten und dann hilft es mir
diese direkt für später zu notieren um dann nicht mit " leeren Händen
" da zustehen, wenn mir mal nichts einfällt.
Ich kann sehr gut alleine von zu Hause arbeiten, habe aber festgestellt, dass
ich in einem kreativen Gemeinschaftsbüro noch etwas produktiver bin und die
kreative Gesellschaft ein großer Pluspunkt ist.
Wie hältst du es aktuell? Arbeitest du mehr von zu Hause oder hast du externe Räumlichkeiten?
Kurz bevor der Corona
Lockdown kam, hatte ich eigentlich ein sehr schönes Gemeinschaftsbüro mit 2
anderen kreativ arbeitenden Frauen gefunden, aber da ist dann erst mal nichts
draus geworden.
Und da wir jetzt auch Berlin in den nächsten Monaten verlassen, werde ich am
neuen Wohnort weitersuchen.
Thematisch lassen sich deine Arbeiten dem Fantasy und
Gothic-Genre zuordnen. Dabei ist deine Bandbreite an Motiven recht groß.
Einflüsse der bereits erwähnten Künstler L. Royo und V. Frances tauchen in
verschiedenen Elementen immer wieder auf, dabei hast du sowohl ernsthafte, wie
auch verspielte und niedliche Illustrationen in deinem Portfolio.
Was reizt dich an diesem Genre und was erachtest du als
besonders wertvoll daran?
Ich denke als Künstler hat man die Möglichkeit etwas
Phantastisches zu erschaffen, was nicht in der Realität existiert. Ganze Welten
voller Magie und Mystik, die uns verzaubern und die uns eine Zuflucht von der
eigentlichen Realität bieten können.
Mich fasziniert es diese Wesen oder Landschaften möglichst detailliert und
"naturalistisch" zu zeichnen, um dem Betrachter das Gefühl zu geben,
diese Dinge seien wirklich real. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und dieses Genre wurde über die
Jahrhunderte gefüllt mit Wesen und Welten, die unterschiedlicher und
faszinierender nicht sein können - eine Schatzkiste voller Inspirationen die auch die verschiedensten Gefühle
einfängt und konserviert.
Glaubst du, dass viele Menschen sich in phantastische
Serien, Bücher, Bilder, Filme etc. flüchten, weil ihnen die Realität zu viel
ist, zu schrecklich oder manchmal auch zu banal erscheint, um damit leben zu
können?
Ja davon bin ich überzeugt. Daneben gibt es im Bereich der Fantasy unendlich viele Möglichkeiten die Schranken der Realität aufzuheben. Die eigentliche Realität muss gar nicht so schrecklich sein, aber sie kann bestimmte Dinge einfach nicht liefern. Die Fantasie schon.
Da könnte man jetzt natürlich darüber philosophieren, was
wir denn jeweils als Realität wahrnehmen und in welchem Grad die Fantasie da
unter Umständen hinzuzählt oder nicht. Ich sehe es ähnlich, seit jeher spiegelt
unsere Fantasie menschliche Wünsche und Ängste wieder und fließt so in unsere
Realität(en) ein.
Siehst du als Künstlerin dadurch auch eine gewisse
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in dem was du an neuen Bildern
erschaffst?
Ich denke ich habe einen etwas pragmatischeren Zugang zu meinen Illustrationen. Ich male was ich möchte und zweitrangige Überlegungen dazu sind eher, in welcher Form es sich kommerziell nutzen lässt. Soll es sich z.B. potentiell für Bekleidungen nutzen lassen, ist ein Hochformat besser. Sind die unterschiedlichen Elemente auf verschiedenen Ebenen, damit sie womöglich auch einzeln genutzt werden können? Wirkt die Illustration auch noch in anderen Seitenverhältnissen, z.B als Quadrat, oder sind wichtige Bildelemente dann abgeschnitten? Für Kollektionen ist es auch wichtig mehrere Illustrationen vom gleichen Thema zu haben. Solche Überlegungen sind es eher, die mich umtreiben.
Keine Frage, der unternehmerische Aspekt ist in deinem Beruf
natürlich ebenso wichtig, wie die kreative Arbeit selbst.
Welche Projekte und Veröffentlichungen stehen für dich
demnächst an?
Ich arbeite schon einige Zeit an Ausmalseiten zum Thema
" Creatures of the night " , die im Dezember im britischen Magazin
"Colouring Heaven" erscheinen werden.
Es werden insgesamt 41 Ausmalseiten und ich bin schon sehr gespannt, wie diese
Ausgabe in der Ausmalszene ankommt.
Seit kurzem sind meine ersten T-shirt Designs bei der EMP
erhältlich. Meine eigenen Designs im EMP Katalog - das war
schon lange mein Traum und ich bin sehr glücklich über dieses Projekt!
Es gibt noch andere neue Kooperationen, die aber leider aufgrund von Corona
erstmal pausieren müssen und dann hoffentlich bald wieder aufgenommen werden
können.
Diverse Buchcoverprojekte stehen in nächster Zeit auch an oder werden fertig
gestellt und ich freue mich jedes Mal sehr, ein gedrucktes Exemplar in Händen
zu halten.
Im Moment arbeite ich viel daran mein eigenes Portfolio zu vergrößern und
Illustrationen zu erstellen, die ich zur Lizensierung nutzen kann.
Du hast von einer „Ausmalszene“ gesprochen. Mir war, bis vor kurzem, gar nicht bekannt, dass es eine solche gibt. Für dich ist diese Colouring-Szene inzwischen zu einer wichtigen Zielgruppe geworden, dein Online-Shop ist voll von Ausmalseiten, die sehr gut angenommen werden. Wie kam es dazu und wie ist die Szene so drauf? Sind das vorrangig Erwachsene, die im Ausmalen eine Freizeitbeschäftigung für sich wiederentdeckt haben?
Ja mir war das auch nicht so ganz klar, dass es da eine
richtige Szene gibt und eigentlich bin ich für den Hype sogar ein paar Jahre zu
spät dran. Ich glaube es war so 2016 als das Ausmalen als Freizeitbeschäftigung
wiederentdeckt wurde und plötzlich alle Buchhandlungen Unmengen an
Ausmalbüchern hatten. Ich habe gesehen, dass auch einige Künstler ihre
Illustrationen auch als Ausmalseiten anbieten und es dazu diverse Shops bei
Etsy gibt. Nach etwas Recherche habe ich beschlossen das Ganze auch mal mit
einem Etsy Shop auszuprobieren und das ist sehr gut angekommen. Durch den Shop
sind auch einige Coloristen bei Facebook auf mich aufmerksam geworden, sodass
ich auch dort bald eine eigene Gruppe, die meinen Ausmalseiten gewidmet ist,
gegründet habe. Die Ausmalszene ist sehr aktiv, herzlich, sehr hilfsbereit und
eng verwoben. Ich würde sagen es sind vorwiegend Frauen aus der ganzen Welt,
die das Ausmalen als Ausgleich zu ihrem Arbeitsalltag nutzen. Es gibt viele
Streamer, die auf Youtube Tutorials hochladen und es wird sich auch gerne mal
zu einem Livestream getroffen oder online Events organisiert.
Verrückt, was sich manchmal so ergibt und man plötzlich
einfach reinwächst. Ich danke dir für die Zeit, die du dir für das Interview
genommen hast.
Möchtest du den Lesern abschließend noch ein paar Worte mit auf den Weg geben?
Z. B. einen Mal- oder Zeichentipp, was loben oder anprangern? Einen geheimen
Erfolgskniff für angehende Künstler oder sonst etwas, was dich beschäftigt oder
du gern loswerden oder weitergeben möchtest?
Vielen Dank für das Interview!
Eine letzte Sache vielleicht noch. Ich glaube nicht an Naturtalente, oder eine
besondere Begabung, die einem in die Wiege gelegt wurde, sondern an Motivation,
Leidenschaft und jede Menge Übung. Jeder Künstler hat mal klein angefangen und Jahre des Lernens hinter sich. Ich
denke jeder kann mit genug Begeisterung und Training Meisterschaft erlangen.
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