Fürchte Dich nicht!


Erinnerung

 

Ein Stein, so groß, dass er einem stattlich erscheint, ruht in einem dunklen Raum, dessen Größe nicht abschätzbar ist. Und während ich mich diesem Stein nähere und er größer zu werden scheint, leuchtet er sanft auf. Plötzlich erkenne ich mich selbst darin. Ich selbst bin dieser Stein. Dieser Erkenntnis folgend schrumpft der Stein zusammen, während sich vor mir ein immer größer werdendes, in Art und Form gleichartiges Gebilde, in der Dunkelheit abzeichnet. Dieser konträre Vorgang dehnt sich schier zur Unendlichkeit und löst in mir ein sonderbares Gefühl aus Furcht, Neugier und Vertrautheit aus, dass sich immer weiter steigert und schließlich in unbändiger Vorfreude zu bersten scheint, so dass es mich innerlich fast zerreißt.

So, oder so ähnlich, ereignete sich ein wiederkehrender Traum in meiner frühen Kindheit. Jedoch war dieser viel abstrakter und weil es mir der Vorstellungskraft dienlich erscheint, bezeichne ich jene zwei Objekte als Steine, aber nur weil sie mir rundlich in Erinnerung geblieben sind, nicht weil ich sie als solche erkannt habe. Vielmehr war der Traum durch jenes unbeschreibliche Gefühl geprägt, dessen Beschreibung in Worten mir so schwer fällt. Ich denke der Begriff Ehrfurcht, kommt ihm am nächsten, und doch scheint er mir unzureichend.


Wie dem auch sei, mir ist dieser Traum beim Malen von „Fürchte dich nicht!“ seit langer Zeit wieder in den Sinn gekommen und es wurde mir bewusst, das mich jenes Gefühl zu vielen, nicht zu allen, meiner Bilder offensichtlich angetrieben hat. Vielleicht ist es der Wunsch, jenes Gefühl angemessen ausdrücken zu wollen und den ich in anderen Kunstwerken, wie z.b. der Literatur Tolkiens oder zu Weil auch den Bildern Beksinskis erspürte.

Erste Skizze

Die Idee des Bildes geht tatsächlich auf einen starken Eindruck eines Gemäldes von 1972 jenes polnischen Malers zurück. Die erste Skizze meinerseits entstand bereits im Jahr 2009 mit weißer Kreide auf schwarzem Tonpapier. Zu jener Zeit lernte ich meine heutige Frau kennen und das weiße Flugwesen war zunächst ihr gewidmet.

Kreideskizze, A4, 2008/2009


„Die Befreiung“ ist damals meine erste Titelidee zum Bild, aus dem später „Das Gefühl, dem kein Wort folgen kann“ wurde, und der sich in meinem Kopf für viele Jahre so erhielt.


Versuche einer Umsetzung

Zweite Version auf Leinwand, 60 x 80 cm

2010/2011 entstanden bereits zwei Versionen auf Leinwand im Format 60 x 80 cm in warmer staubiger Farbgebung.

Portalentwurf, A4, Aquarell

Für die gewünschte Bildwirkung waren die Formate jedoch viel zu klein und auch heute denke ich, es könnte noch viel größer sein. Allerdings machen noch größere Formate für mich nur als Auftragsarbeit Sinn, weil ein solcher Aufwand ansonsten ein recht hohes Risiko für mich darstellt, welches das Erarbeiten freier Werke auch so schon ist.


Konzeptskizzen, ca 3 x 4 cm, Acryl auf Karton

Zurück zum Thema: Die Jahre vergingen und das Thema mit der Schlucht ließ mich nie los und immer wieder dachte ich über die alte Bildidee nach, ergänzte sie mit neuen Elementen, überlegte, ob ich die flankierenden Figuren separat entwerfe und genauestens durchplanen sollte; ob der Wanderer aus einem leuchtenden Portal am Fuße einer der Statuen schreiten sollte (als Anspielung auf die „Back to the deep Lands“ Bilder und dem „Thron in der Tiefe“), ob ich die Grundkomposition ändern müsste u.v.m., bis 2018 entstanden noch mindestens zwei Versuche auf großen Hartfaserplatten, Versuche deshalb, weil die Bilder nie einen zeigenswerten Zustand erreichten.



Inspiration


Im vergangenen Jahr las ich das Buch „Die Zuflucht“ der Zeitzeugin Corrie ten Boom, in der sie ihre Erlebnisse bis hin zu ihrer Gefangenschaft im KZ Ravensbrück schildert und es traf mich wie ein Schlag: Diese Bildidee war für mich von Anfang an eine Zuflucht und vielleicht konnte sie das in dieser sonderbaren Zeit auch für andere sein. Das Bild musste nun endlich gemalt werden! Frei nach dem Gedanken Tolkiens: Wenn wir die Freiheit des Geistes und der Seele wahrhaft schätzen, dann ist es schlicht unsere Pflicht zu fliehen und dabei so viele Menschen mit uns zu nehmen wie wir können.
Detailentwurf, Bleistift auf Karton

Wächterfigur, Knete

Wie gesagt musste das Bild nun heraus, und vermutlich hatte es einen Sinn, es so viele Jahre in mir herumzutragen, wie eine unreife Frucht, die ihr volles Aroma noch nicht entfalten konnte. Die Angst, in einem erneuten Versuch zu scheitern ausblendend, wagte ich mich an die schon seit längerem für das Bild reservierte Leinwand. Während des Malens kam mir dann der endgültigen Titel in den Sinn:„Fürchte dich nicht!“ Eine klare Aussage, die auch in der Bibel auffallend oft zu finden ist (in der lutherischen Übersetzung über 70 Mal) und die häufigste Zusage, die Gott in der Schrift an den Menschen richtet.

Steps, Detail

Somit sollten nun alle wichtigen Inspirationsquellen zum Bild genannt sein, wobei es überaus mühsam wäre jemals alle in meinem Geist ausfindig zu machen und zu erläutern. Wohl wäre dies auch wenig unterhaltsam. Bliebe lediglich noch zu erwähnen, dass mich beim Malen die Hörbücher „Das Bildnis des Dorian Gray“ (Oscar Wilde) und „Der Name der Rose“ von Umberto Eco begleiteten und evtl. die ein oder andere Spur im Gemälde hinterlassen haben.
Nun denn, das Bild ist fertig, möge es jenen ein Licht sein, wo alle anderen Lichter verblassen …
"Fürchte Dich nicht!", Acryl auf Leinwand, 100 x 120 cm, 2009 -2022

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